Forschung in Gemeinschaft am Beispiel von Studierenden der Leuphana Universität mit Gemeinschaftsbewohner von Schloss Tempelhof. Foto: Stella Veciana.
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Forschung in Gemeinschaften – Gemeinschaftsbildung als Experimentierraum
Stella Veciana und Sabine Bartscherer
Welche Fähigkeiten, Einstellungen, Verhaltensweisen und innere Haltungen sind entscheidend, wenn Wissenschaftler/innen und Bewohner/innen von intentionalen Gemeinschaften gemeinsam forschen wollen?
Die sozialen Kompetenzen für eine professionelle Zusammenarbeit sind theoretisch durchweg bekannt und die Ansprüche an die Mitstreiter/innen scheinen stetig zu wachsen: u.a. Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Vertrauen, Engagement, Motivations- und Kommunikationsfähigkeit, Flexibilität, Selbstbewusstsein, Kreativität und Offenheit. Diese Liste ließe sich um etliche weitere Fähigkeiten erweitern wie empathisches Zuhören oder die Fähigkeit Unterschiede zu überbrücken und mag gegenüber der notwendigen fachlichen Kompetenzen und Wissen dem einen oder anderen aufgeblasen erscheinen.
Für die Gemeinschaftsforschung jedoch, und darüber hinaus für die sogenannte „Offene Wissenschaft“ bei der Akademiker und Praktiker in partizipativen Forschungsprojekten auf Augenhöhe zusammenarbeiten, sind gerade die gesellschaftlichen Kompetenzen der Dreh- und Angelpunkt für das Gelingen. Denn es müssen nicht nur fachliche Sprachbarrieren beim Wissensaustausch überwunden werden, wenn über neue Lösungswege für regionale Kreislaufwirtschaft, Altersversorgung, autarke Nahrungsmittelversorgung oder die Übertragung ruraler Innovationen von Ökodörfern in urbane Strukturen gesucht werden. Damit die sogenannten „Pioniere des Wandels“ ihre innovativen Anwendungen und pragmatischen Experimente für eine gelebte Nachhaltigkeit mit Wissenschaftler/innen teilen können, bedarf es neben Zeit und Geld, spezifische Kooperationsmethoden.
Eine insbesondere für Wissenschaftler/innen und Gemeinschaftsbewohner/innen ausgerichtete Kooperationsmethode, wird in einem Think Tank in Sieben Linden im September 2016 erstmalig von Stella Veciana und Sabine Bartscherer eingeführt werden. Ziel des Think Tanks ist es sich gemeinsamen nachhaltigen Forschungsthemen anzunähern und in Projekten umzusetzen.
Seit 1998 entwickelt Stella Veciana neue Methoden fachübergreifender und interkultureller Zusammenarbeit und seit 2008 ist Sabine Bartscherer Begleiterin (Facilitatorin) für Gemeinschaftsbildung (Community Building). Gemeinsam wenden sie die „Aufgabe/Prozess“ (Task/Process) Methode nach Scott Peck im Forschungskontext an. Die „Aufgabe/Prozess“ Methode hilft Arbeitsgruppen zwischen Arbeits- und Prozessphasen zu wechseln. Die Prozessphasen schaffen ein Arbeitsumfeld mit „echten“ Begegnungen zwischen den Teilnehmer/innen. Dadurch können persönliche und fachliche Potentiale voll zur Entfaltung gelangen. In den Arbeitsphasen entsteht eine ungewöhnliche „Chaosbereitschaft“ für innovative Lösungsansätze. Dies ermöglicht komplexe Problemstellungen innovativ und zugleich zielführend zu lösen. Die Methode folgt dabei dem Prinzip der „Group of all Leaders“ (Selbstführung), die neue und sinnstiftende Formen der Zusammenarbeit ermöglichen.
Vom 09.09.2016 bis 11.09.2016 wird im Ökodorf Sieben Linden der Think-Tank "Forschung in Gemeinschaften – Gemeinschaftsbildung als Experimentierraum" stattfinden, der Bürgerwissenschaftler/innen und Wissenschaftler/innen einlädt gemeinsam innovative nachhaltigkeitsorientierte Forschungsthemen zu entwickeln.
Hintergrund dieses prozessorientierten Think-Tanks ist einen Experimentierraum zu schaffen, der unsere Wirkungskraft als Impulsgeber des gesellschaftlichen Wandels bestärkt: die nachhaltige Lebenskultur von Gemeinschaften und ihre sozial-ökologischen Experimente werden in Forschungsthemen weiterentwickelt und in Projekten umgesetzt. Es werden neue Möglichkeiten für sinnstiftende Formen der Zusammenarbeit geschaffen. Daraus soll eine kontinuierliche Austauschplattform zwischen Bürgerwissenschaftler/innen und Wissenschaftler/innen wachsen, die sich zugleich an verschiedene Lebensumstände und gemeinsame Bedürfnisse orientiert.
Weitere Informationen zur Forschung im Ökodorf Sieben Linden sind hier zu finden.
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Sabine Bartscherer - Master of Sciene (Solararchitecture), Akademische Expertin für Solares Planen und Bauen. Jahrgang 1966, Architektin, Lektorin auf der Akademie der Bild. Künste/Wien bis 2013 und Facilitatorin „Gemeinschaftsbildung nach Scott Peck". 2004-10 Wohnprojekt bei Wien, 2010 Mitbegründerin Lebensgemeinschaft Schloss Oberbrunn.
Ausbildung zur Facilitatorin für den "Community Building Process nach Scott Peck": Jahres-/Ausbildungsgruppe bei Höper & Brase (D), Bertens & Kanters (NL) (Zertifizierung, LEP) und bei Workshops des FCE (USA). Erfahrung: ca. 120 Workshops, weltweit (auch in englischer/französischer Sprache: Bali, Frankreich, England, Tschechische Republik, Österreich, Schweiz...), 2009+2010+2015 Leitung einer Ausbildungsgruppe. mehr |
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Dr. Stella Veciana - Studium der experimentellen Künste (Universität der Künste, Berlin) und der Computerkunst (School of Visual Arts, New York). Promotion über die Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft (Fakultät der Bildenden Kunst, UB). Gründerin der Plattform Research Arts, die sich der transdisziplinären und partizipativen künstlerischen Forschung für Nachhaltigkeit verschrieben hat. Ihre Kunst wurde international in Museen, Galerien, Kunstzentren und Festivals sowie in Stiftungen, NGOs, Universitäten, Forschungszentren und Kongressen ausgestellt (Akademie der Künste Berlin, Kunsthalle Nürnberg, Hangar Barcelona, UNESCO, Heinrich-Böll-Stiftung, Brot für die Welt, ZEF Development Research Center, Degrowth Conference, KIBLIX Festival, etc.). Langjährige universitäre Lehrerfahrung (Facultad de Bellas Artes Barcelona, Leuphana Universität Lüneburg, Technische Universität Berlin, Universidad Politécnica Valencia, University of Saskatchewan Canada, etc.). Mitarbeiterin und Forscherin in inter/nationalen Projekten (Forschungswende, Soft Control, PIPES, Leben in zukunftsfähigen Dörfern). Manager nationaler und europäischer Projekte (ICN). Weiterentwicklung der Lehre als „Reallabore“ für Nachhaltigkeit (Leuphana Universität mit Ökodörfer). Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler VDW. mehr |
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