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Upgrade X.0

Think Tank „Gemeinschaft X.0 – time2upgrade“, 18.-21.02.2016, Schloss Tempelhof. Foto: Stella Veciana.

 

 

 

Upgrade X.0

Darstellung der Entwicklung der Gemeinschaftsbewegung als Baum, graphic recording von Katrin Finken. Foto: Stella Veciana.

 

 

 

 

 

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Upgrade X.0

Upgrade X.0

Arbeit an mitgebrachten und neu entstandenen Fragen zur Rolle der Gemeinschaften für die Gesellschaft. Foto: Stella Veciana.

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

Upgrade X.0

Lebendige Gespräche über die graphic recording Dokumentation des Think Tanks von Katrin Finken. Foto: Stella Veciana.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



Upgrade X.0

Interview mit Thomas Hübel. Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=XtzCAeS12p8.

»Upgrade X.0: können und wollen Gemeinschaften die Welt retten?«

Stella Veciana, Ralf Hilgers

 

Welche Rolle können und wollen Gemeinschaften in der Transformation zu einer nachhaltigen Welt spielen? Was wünscht die Welt von Gemeinschaften? Wie wird das Neue sichtbar? Dies waren unter anderem Kernfragen, die sich die Teilnehmer/innen aus vierzehn Gemeinschaften während des Treffens „Gemeinschaft X.0 – time2upgrade“ im Februar gestellt haben. Die gemeinsam gestaltete Prozessarbeit führte in unerwartete Transformationsräume.

Was ist die zukünftige gesellschaftliche Aufgabe von intentionalen Gemeinschaften? Können und wollen Gemeinschaften „die Welt retten“? Es folgt ein detaillierter Bericht eines mehrtägigen intensiven Austauschprozesses darüber, wie der entscheidende Sprung bzw. Upgrade hin zu einer zukunftsfähigen Gesellschaft gelingen kann und welche Herausforderungen sich Gemeinschaften bei einem solchen Findungsprozess stellen.

„Gemeinschaft X.0 – time2upgrade“

Das von François Michael Wiesmann und Maria Tacke in Kooperation mit GEN Deutschland organisierte Treffen zielte darauf „eine Plattform zu schaffen, die es Gemeinschaften ermöglicht, auf ihre Evolution zu schauen und sich ihres gesellschaftlichen Beitrages bewusst zu werden“[1] . Die 55 Teilnehmer/innen kamen überwiegend von Gemeinschaften aus dem deutschsprachigen Raum wie Blumenthal, Eisenbahnstrasse, gAstwerkE, Glarisegg, Jahnishausen, Lebensgarten, Schweibenalp, Sennrüti, Sieben Linden, Tempelhof, Tonndorf und ZEGG. Vertreten waren darüber hinaus Gemeinschaften aus Portugal und Schottland (Findhorn). Durch eine geographische Aufstellung der Gemeinschaftsmitglieder entstand ein erstes Bild zur vielgestaltigen Entfaltung der Gemeinschaftsbewegung. 

Good Practices vorstellen, wertschätzen und mitnehmen

Was haben Gemeinschaften der Welt zu bieten? Was ist ihr Nährboden? Im darauf folgenden Programmpunkt, wurde nach Praktiken, Prozessen und Strukturen gefragt, die in den verschiedenen Gemeinschaften gut funktionieren und dem Wohl der Gemeinschaft als auch der Einzelnen dienen. Von der ältesten bis zur jüngsten, stellte sich jede Gemeinschaft in ihrer Einzigartigkeit und mit ihren besonderen Qualitäten vor. Dem folgte ein Raum für Vertiefungen in diese verschiedenen Wege der Gemeinschaftsentwicklung. Alles Gehörte und voneinander Wahrgenommene wurde gewürdigt. Hervorgehoben wurde beispielsweise die gemeinschaftsverbindende Sterbekultur in Jahnishausen, die Arbeit am Zusammenkommen zwischen „Ossis und Wessis“ sowie der Lernort für Liebe im ZEGG, die offenherzige Gastfreundschaft über die Gemeinschaft hinaus in Blumenthal, die Arbeit mit der Nazi-Vergangenheit einzelner Grundstücke wie in Lebensgarten, die spirituelle Ausrichtung in Findhorn, die geistig-religiöse Vielfallt in Schweibenalp, die gemeinsame Ökonomie in gAstwerkE, eine Schloßrenovierung mit dem Aufziehen vieler Kinder in Einklang zu bringen wie in Tonndorf, die intensive Beziehungskultur in Glarisegg, der experimentelle Pioniergeist und die lernende Organisation in Tempelhof, die all-mothers Kultur von Sennrüti, oder die gute Kooperation mit Politik und Verwaltung für die Durchsetzung eines Modell-Siedlungsplanes in Sieben Linden. Es wurden aber auch insbesondere der Beitrag der kleinen und kleinsten Gemeinschaften gefeiert wie die in der Eisenbahnstrasse / Bad Belzig sowie die Erfahrungen der gescheiterten Gemeinschaften wertgeschätzt wie der Tollense Lebenspark oder LebensGut Pommritz. Ein anregendes Bild des fruchtbaren Nährbodens der Gemeinschaftsbewegung kam zu Tage. Können diese gesammelten Erfahrungen auch der Nährboden für eine tiefgreifende gesellschaftliche Transformation sein? Werden sie die Grundlage für das angesteuerte Upgrade sein?

Wenn Fragen offen bleiben

Was heißt Upgrade? Was heißt Upgrade für jede/n Einzelnen, für die Gemeinschaften, für die Welt? Teilnehmer/innen assoziierten mit Upgrade unter anderem: sich wie auf einem Sprungbrett zu fühlen, Unsicherheiten zuzulassen, das zu tun was sie noch nie gedacht haben, sich trotz allem immer wieder verbindlich einzulassen. Sie verknüpften überdies Begriffe zu Upgrade wie Lebensuniversität oder Down-grading. Die Dialogleiter ihrerseits trugen einleitende Konzepte vor wie „Vertikalität“ als Anbindung an eine höhere Ebene für die Transformation, „kollektiver Innenraum“ als Einsicht, dass wir alle bedingungslos in Verbindung stehen und „All-Leadership“ als offener Kommunikationsraum in dem wir alltäglich entscheiden können, ob wir führen oder geführt werden wollen. Ein wichtiger Aspekt des Upgrade sei auch der Sprung ins Ungewisse oder die Offenheit für Nicht-Wissen, um uns mit der Zukunft oder einem Potentialraum zu verbinden: „Heute wissen wir aus der Sicht der Satellitenkameras, dass die Welt keine Scheibe, sondern eine Kugel ist. Aber wie sieht die Welt von einer noch umfassenderen komplexeren Perspektive aus?“

Als nächster Schritt, haben die verschiedenen Gemeinschaftsmitglieder in Kleingruppen zu ihren anstehenden bzw. ungeklärten Fragen gearbeitet und diese zu Leitfragen für das Upgrade zusammengefasst. Diese Leitfragen wurden durch die Gruppenleitung in Themengruppen versucht zu bündeln. Möglicherweise hat hier ein Zwischenschritt gefehlt: nämlich die Leitfragen und Themengruppen in einem gemeinsamen Gruppenprozess weiter zu vertiefen, um durch diesen Arbeitsprozess miteinander in Verbindung zu bleiben. Es entstand das Gefühl von Zeitmangel und Verwirrung darüber wie die Themengruppen mit den eingebrachten Leitfragen zusammenhingen und es folgte ein mühseliger Prozess der Arbeitsgruppenfindung.

Voraussetzungen für den Wandel: Raum für das Unbekannte

Es kamen viele Zweifel auf, an der Stelle weiterzuarbeiten. Die zusammengetragenen, sehr allgemein gehaltenen Themenschwerpunkte wurden nicht als Upgrade gesehen, sondern als noch zu sehr im Alten verhaftet empfunden, allenfalls das Alte neu formuliert. Statt wie geplant in Forschungsdialogen zu speziellen Fragestellungen weiterzuarbeiten, ging es mit Prozessarbeit weiter. Es wurde über die entstandene Situation gesprochen: die Verwirrung, das Wollen, die Ungeduld, die Überforderung, der Druck, die Erschöpfung und letztlich die Möglichkeit des gemeinsamen Versagens. Es wurde auch von ähnlichen Situationen in vorherigen Gemeinschaftstreffen berichtet wie während dem „New Story Summit“ in Findhorn. Dort wurde mit ebenso viel Anspruch an einer „neuen Geschichte“ gearbeitet, die sich in einer ganzen Wand voller Zettel mit Open Space Angeboten niederschlug. Angesichts dieser Überforderung, bildeten einige Teilnehmer/innen aus den Zetteln den Satz: „Wir wissen es nicht“ („We don´t know“).

Ähnliche Situationen entstehen immer wieder, wenn wir uns wünschen „die Welt zu retten“ oder neu zu erfinden. Das Besondere in dieser Runde war die Bereitschaft nicht in den gegenseitigen Vorwurf über das Versagen zu gehen, sondern respektvoll in den spannungsgeladenen und geteilten „Innenraum“ aller Anwesenden zu treten. Ein neuer Raum tauchte auf: für das Scheitern, für das Loslassen, für das Anhalten, für das Nicht-Wissen, für die Leere, für das Glucksen eines anwesenden Babys, für das gegenseitige tiefe Zuhören, für das Aufmachen und Zulassen was passiert.

Begegnungen im (Innen)Raum

Zuletzt fanden sich die Arbeitsgruppen doch noch zusammen und widmeten sich unter anderem der Gemeinschaftsentwicklung, Arbeit & Business in Gemeinschaften, der Balance zwischen Radikalität und Mainstream, dem Wissenstransfer in die Gesellschaft, der politischen Rolle und dem Beitrag zum Wandel der Gesellschaft, der Führung und Potentialentwicklung, den Kindern und Familien, der Beziehungskultur, der sozialen Plastik. Jedoch standen die Themen als Sachthemen nicht im Vordergrund. Durch die vorhergehende Erfahrung des Lauschens in einen gemeinsamen (Innen)Raum wurde den Arbeitsgruppen eine authentischere Form der Begegnung ermöglicht.

Dies wurde insbesondere durch die Arbeitsgruppe zur sozialen Plastik deutlich. Die Arbeitsgruppe hatte sich aufgeteilt zwischen denen, die in den Wald gingen und denen, die im Seminarraum blieben. Aus dem Austausch über die verschiedenen Bedürfnisse und den daraus entstandenen Erlebnissen entstand ein neuer Begegnungsraum für kollektives Gestalten. Dieser Integrationsprozess wurde in ihrem gemeinsamen Kunstwerk auf einer äußerst feinsinnigen Art und Weise materialisiert: in einer sozialen Plastik, die auf der Einzigartigkeit einer Kleinskulptur jedes Einzelnen beruhte.

Beim Übertreten der Schwelle zwischen dem eigenen (Innen)Raum und dem (Innen)Raum einer Gruppe entsteht Kontakt, Berührung, wahre Begegnung. Hier können wir in Kontakt mit unseren wahren Sehnsüchten und Bedürfnissen gehen. Durch die gegenseitige Anerkennung unserer verschiedenen Bedürfnisse keimen authentische Berührungspunkte. Und aus diesen Berührungspunkten entstehen Beziehungen und Gemeinschaft. Statt der Themen werden die Menschen und ihre Beziehungen sichtbar. Sie werden spürbar in ihrem Ringen um die Lösung ihrer oder weltweiter Probleme. Und gerade in dieser Form der Begegnung wird der Nährboden greifbar für neue Räume, für das Undenkbare, für den Quantensprung.

Transformationsräume: die Forschung rund um eine innovative geerdete Kultur

Wie können Gemeinschaften einen Upgrade erreichen? Nach Thomas Hübel, der am letzten Tag für eine Stunde per Skype zum Treffen zugeschaltet war, ist „updaten“ eine Fähigkeit, die gelernt werden kann. Jedoch erzeuge die Vergangenheit mit ihren Gedankenmuster, Gewohnheiten, und Strukturen eine starke Schwerkraft. Um uns freiwillig und nicht durch den Druck einer Krise „upzudaten“, müssten wir daher eine hohe Energie aufbringen, um diese Schwerkraft zu überwinden. Wir könnten aber auch einen neuen Lebensstil lernen. Da wir beispielweise es schon lange verpasst hätten unseren Lebensstil zu verändern, seien wir nun beim Klimawandel gelandet.

Gemeinschaften müssten sich bewusst machen, dass ihre wertvollen Erfahrungen im Zusammenleben bzw. ihr Wissen zugleich auch ihre Sicht auf das Neue verstellen kann. Demzufolge benötigen Menschen einer gesunden Demut damit sie das Nicht-Wissen zulassen können bzw. ein Ohr für den (Innen)Raum, um das Nicht-Wissen, Stille, Bewußtheit entstehen zu lassen. Nach Hubel, muss darüber hinaus dieser (Innen)Raum in Balance mit Informationen stehen. Informationen meinen hier die Alltagsaufgaben und Aktivitäten, aber auch eigene Erfahrungen, Gedanken, Gefühle, Köperempfindungen, usw.. Wenn unser Lebensraum ganz mit Informationen ausgefüllt ist, kann sich kein Upgrade „runterladen“. Gerade die Kunst sei für unsere Kultur so wichtig, weil sie unser gewohntes Erleben erschüttern und dadurch solche (Innen)Räume öffnen kann. Außerdem, ginge es darum zu lernen innerlich zuzuhören und die leiseren Stimmen in uns wahrzunehmen, wie die Intuition oder Inspiration.

Schließlich bräuchten, nach Hübel, die Gemeinschaften kompetente Trainer, um Innovation und den Umgang mit interpersonelle Dynamiken zu lernen. Gemeinschaft sei einerseits ein sehr guter Experimentierort, um das Gefühl der Zugehörigkeit in Menschen, das Beziehungen aufbaut, zu heilen. Andererseits, ermöglichen Gemeinschaft einen kulturellen Beziehungsraum, der idealerweise Nährboden für „freiwillige Updates“ wird. Indem wir innerlich in jedem Moment dynamisch auf die Welt bezogen blieben, könnten wir uns immer wieder auf das Neue einlassen. Dies ermögliche die Entstehung von hoch innovativen gut funktionierenden Mini-Kulturen, die eine starke magnetische Anziehungskraft auf ihr Umfeld ausüben.

Ausblick

Ob Gemeinschaften „die Welt retten“ können und wollen, haben wir allen Anschein nach während dieser Veranstaltung nicht „downloaden“ können. Der Übergang zwischen dem Arbeiten an den selbstgestellten Aufgaben und der Gruppenprozessarbeit mag auch noch gelernt werden. Wahrscheinlich braucht es außerdem noch mehr Training für die Wahrnehmung unserer (Innen)Räume und das „Runterladen“, was wir Menschen und die Welt tatsächlich brauchen. Aber es ist ein fruchtbares Bild über den Nährboden der Gemeinschaftsbewegung im Verlauf ihrer Entwicklung entstanden. Hinzu kommt das heilende Bild der Gemeinschaften als Lernräume für Prozess- und Beziehungsarbeit sowie das inspirierende Bild der Gemeinschaften als Transformationsräume und Generatoren von kultureller Innovation. 

1. Siehe: http://gelebte-nachhaltigkeit.de/aktivitaeten/nachrichten/neuigkeiten-detail/artikel/gemeinschaft-x0-time2upgrade/index.htm

Siehe auch den Film "Gemeinschaft X.0: Thinktank am Schloss Tempelhof" von filmingforchange unter: https://vimeo.com/156766087


RAlf HIlgers

Ralf Hilgers - Jurastudium an der Universität in Konstanz am Bodensee. Über 30 Jahre tätig als Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Arbeits-, Sozial- und Familienrecht. Lebt und arbeitet im Ökodorf Sieben Linden. Seit 2008 stetige Teilnahme an Gemeinschaftsbildungsprozessen und Jahresgruppen nach Scott Peck und 2015 Ausbildung als Facilitator. Seit acht Jahren Mitglied einer Ongoing Group der Ridhwan School.


stella veciana

Dr. Stella Veciana - Studium der experimentellen Künste (Universität der Künste, Berlin) und der Computerkunst (School of Visual Arts, New York). Promotion über die Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft (Fakultät der Bildenden Kunst, UB). Gründerin der Plattform Research Arts, die sich der transdisziplinären und partizipativen künstlerischen Forschung für Nachhaltigkeit verschrieben hat. Ihre Kunst wurde international in Museen, Galerien, Kunstzentren und Festivals sowie in Stiftungen, NGOs, Universitäten, Forschungszentren und Kongressen ausgestellt (Akademie der Künste Berlin, Kunsthalle Nürnberg, Hangar Barcelona, UNESCO, Heinrich-Böll-Stiftung, Brot für die Welt, ZEF Development Research Center, Degrowth Conference, KIBLIX Festival, etc.). Langjährige universitäre Lehrerfahrung (Facultad de Bellas Artes Barcelona, Leuphana Universität Lüneburg, Technische Universität Berlin, Universidad Politécnica Valencia, University of Saskatchewan Canada, etc.). Mitarbeiterin und Forscherin in inter/nationalen Projekten (Forschungswende, Soft Control, PIPES, Leben in zukunftsfähigen Dörfern). Manager nationaler und europäischer Projekte (ICN). Weiterentwicklung der Lehre als „Reallabore“ für Nachhaltigkeit (Leuphana Universität mit Ökodörfer). Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler VDW. mehr

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